Trotz vieler Zweifel: Es scheint, als sei Virtual Reality gekommen, um zu bleiben. Laut einer Studie von Deloitte werden deutsche Unternehmen im nächsten Jahr 850 Millionen Euro in XR-Technologien -VR (Virtual Reality), AR (Augmented Reality) und MR (Mixed Reality) investieren. Selbst wenn bislang keine VR-Brille wirklich gute Verkaufszahlen verzeichnet, könnte sich dies in den nächsten Jahren schlagartig ändern. Noch kämpfen die führenden Hersteller – Google, Samsung, Sony, Oculus und HTC – um die Markthoheit, aber keiner konnte die Konsumenten bis dato überzeugen. Die Preise sind zu hoch und die Anwendungen noch zu rar oder unbekannt.
Auch die Kommunikationsbranche ist von dem Potenzial der XR-Technologien überzeugt. Mit Hilfe der Innovationen soll aus dem herkömmlichen linearen Storytelling eine interaktive sensorische Erfahrung werden – ein tiefgehendes Story-World-Building. Zusätzlich zu dieser neuen Sinneserfahrung soll die Botschaft zudem grundlegend personalisiert werden können. Daten über Blickrichtung, Bewegung, kognitive Fähigkeiten und Nutzungsverhalten sollen es ermöglichen, nach und nach die Psyche der Nutzer zu entschlüsseln. Diese weitreichenden Analysen, die die Datenerfassung ermöglicht, könnte jedoch das Leben von VR-Nutzern und Nicht-Nutzern zugleich verändern.
Künstliche Welten mit realen Konsequenzen
Nicht ohne Grund gehören vor allem Unternehmen, die ohnehin bereits mit Nutzerdaten handeln, wie Google und Facebook, zu den größten Investoren in die Technologien. Wie bereits bei sozialen Medien ist die große Errungenschaft für Unternehmen hier nicht die Anwendung selbst, sondern die Informationen, die sie über die Nutzer sammeln können. Gewonnene Nutzerdaten können in der Folge die Grundlage bilden für die Entwicklung von Persönlichkeitsmodellen und Prognosealgorithmen – welche auch auf Nicht-Nutzer von VR angewandt werden können. Die Folgen von so intensiv auf eine Manipulation des Konsumverhaltens angelegten Sinneserfahrungen sind bisher nicht abzusehen und noch viel zu wenig erforscht. Forscher wie Jeremy Bailensen von der Stanford Universität in Kalifornien warnen davor, eigene Bewegungs- und Körperdaten ohne Bedenken an Tech-Unternehmen weiterzugeben. Vor allem junge Nutzer, auf die ein Großteil der etablierten Anwendungen abgezielt ist, füttern oft unbewusst enorme Datenbanken mit Informationen über ihren Körper und ihre Psyche. Damit die zahlreichen Anwendungen von VR-Technologien in Bildung, Unterhaltung und Kommunikation bedenkenlos genossen werden können, so Bailensen, braucht es eine ungehemmte Auseinandersetzung mit dem unterliegenden Privatsphäre-Problem.