Trotz Wirtschaftsboom und Vollbeschäftigung in Deutschland findet eine Reihe von Jugendlichen weder Arbeit noch Ausbildung. Laut Wirtschaftsjournalist Michael Jungblut verlassen rund Hunderttausend junge Menschen jedes Jahr die Schule, deren Chance gering ist, sich einen besseren Platz im Leben zu erarbeiten als ihre Eltern. „Eine Aufsteigergesellschaft sieht anders aus“, so Jungblut. Daher trägt sein neues Buch den Titel „Keiner muss draussen bleiben. 44 Erfolgsmodelle gegen Jugendarbeitslosigkeit“ (Linde Verlag, ab dem 23. September 2014 im Buchhandel). Der Autor macht sich auf die Suche nach Alternativen jenseits der eingefahrenen Wege des Bildungsbetriebs. Er stellt zahlreiche Initiativen von Unternehmen, Schulen und Vereinen vor, die benachteiligten Jugendlichen eine Chance geben. Eine der wichtigsten Erkenntnisse des Buches ist: Der Erfolg hängt häufig nicht von teuren Förderprojekten, sondern von bürgerschaftlichen Engagement Einzelner im Bildungssystem und in Betrieben ab.
Michael Jungblut gehört zu den profiliertesten deutschen Wirtschaftsjournalisten. Der Diplom-Ökonom schrieb über 20 Jahre für die Wirtschaftsredaktion der „Zeit“, davon zehn Jahre als Ressortleiter. Einer breiten Öffentlichkeit wurde er bekannt durch das Wirtschaftsmagazin WISO im ZDF, das er wesentlich mit entwickelte und bis 2002 moderierte. Er machte sich aber auch als Buchautor einen Namen und erhielt zahlreiche publizistische Auszeichnungen, unter anderem den Ludwig-Erhard-Preis für Wirtschaftspublizistik und gleich zweimal den Ernst-Schneider-Preis der Deutschen Industrie und Handelskammer. Michael Jungblut ist es gewohnt, seine Thesen klar und verständlich zu formulieren – so auch bei seinem neuen Buch über die Chancenungleichheit junger Menschen in unserer Gesellschaft.
„Das deutsche Schul- und Bildungssystem produziert zu viele Versager“, ist eine von Jungbluts Kernthesen. Obwohl schon jetzt der Mangel an Fachkräften in vielen Branchen spürbar ist, so der Autor, verlassen immer noch sechs Prozent der Hauptschüler die Schule ohne Abschluss. Dies bedeute, dass jedes Jahr die Schulzeit für 50.000 Jungen und Mädchen mit einer Niederlage ende. Dies setze sich im Berufsleben fort. Aktuell sind im Jahr 2014 laut des Sozialministeriums in Deutschland etwa 200.000 Jugendliche ohne Job.
Wie kleine Firmen gemeinsam 500 Ausbildungsplätze in Deutschland schaffen
Jungblut will aber nicht bei der Kritik stehen bleiben, sondern Lösungswege zeigen. Dabei stützt er sich auf die Erfahrung, die er mit einer Vielzahl von sehr unterschiedlichen Projekten sammeln konnte. Er ist seit zehn Jahren Jury-Mitglied beim Deichmann-Förderpreis für Integration. Der mit 100.000 € dotierte Preis zeichnet herausragende Projekte aus, die sich für benachteiligte Jugendliche engagieren.
In seinem Buch beschreibt Jungblut viele der Preisträger-Konzepte. Einige stellt er als Leuchtturmprojekte vor und blickt dort intensiver hinter die Kulissen und beschreibt, wie durch stärkere Kooperation zwischen Wirtschaft, Schule und öffentlichen Einrichtungen auch scheinbar hoffnungslose Fälle den Sprung ins Berufsleben schaffen.
Ein solches Beispiel ist der Ausbildungsring Ausländischer Unternehmer (AAU) in Nürnberg mit seinem Geschäftsführer Rainer Aliochin. Die Organisation koordiniert und unterstützt die Ausbildung in vielen kleinen Betrieben, bei denen die Inhaber selbst einen Migrationshintergrund haben und aufgrund ihrer Betriebsgröße keine komplette Ausbildung von Jugendlichen übernehmen können. Durch eine Verbundlösung werden hier Ausbildungsplätze geschaffen, die es sonst nicht gäbe.
Der AAU koordiniert alle überbetrieblichen Ausbildungsmaßnahmen, bietet Nachhilfe an, wenn bei den Jugendlichen Defizite festgestellt werden und hilft bei der Vorbereitung auf die Prüfungen der Auszubildenden. Der AAU bietet inzwischen 31 Lehrberufe und arbeitet mit 130 Unternehmen aus der Region zusammen. Bis Mitte 2014 haben bereits über 500 Jugendliche aus vierzig Nationen ihre Berufsausbildung beim AAU begonnen und auch erfolgreich abgeschlossen.
Ein Beispiel von vielen ist die Erfahrung einer jungen Spanierin, die aufgrund der Wirtschaftskrise in ihrem Land eine Perspektive in Deutschland suchte. Sie absolviert direkt beim AAU eine kaufmännische Ausbildung und lernte die deutsche Sprache innerhalb eines halben Jahres. Inzwischen fühlt sie sich sehr wohl in Deutschland und engagiert sich in ihrem neuen Beruf. „Nur das Wetter könnte besser sein“, sagt sie lächelnd.
Michael Jungblut, „Keiner muss draussen bleiben. 44 Erfolgsmodelle gegen Jugendarbeitslosigkeit“, Linde Verlag, 14,90 €, 9783709305591
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